Fast auf den letzten Drücker vor dem großen langwierigen Umbau des Plenarsaals gelang es der Europa-Union Karlsruhe, einen Besuchstermin im Europarat zu ergattern. Die gut nachgefragte Fahrt führte am Vormittag direkt vor das Ratsgebäude, wo bei der Ankunft eine kurdische Interessenvertretung lautstark in Form eines Camps die Freilassung von PKK-Chef Öczalan forderte.

Die 46 Flaggen der Mitgliedsländer erklärten ohne Worte die Bedeutung des Areals, welches die Teilnehmenden nach einer Ausweiskontrolle betreten konnten. Das Mahnmal der Holocaust-Opfer, zu deren Ehren anlässlich des Gedenktages von der deutschen Außenministerin und dem Staat Israel Blumen niedergelegt worden waren, und ein zerstörtes Hilfsfahrzeug aus der Ukraine gaben nachdenkliche Impulse, bevor die Gruppe ins Innere des Gebäudes gelangte.

Im freundlichen Empfangsbereich erklärten die beiden Gästebetreuerinnen die Institution „Europarat“. Im Gegensatz zur EU (27 Nationen) umfasst der Rat nahezu alle Staaten Europas. Russland war 2022 nach dem Angriff auf die Ukraine ausgeschlossen worden, Belarus kann wegen Aufrechterhaltung der Todesstrafe nicht beitreten. Die Institutionen des Europarates sind das Ministerkomitee, die Parlamentarische Versammlung, der Kongress der Gemeinden und Regionen, der Menschenrechtskommissar, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Unter https://www.coe.int/de/web/portal/home präsentiert und erklärt sich der Europarat als europäische Institution auch in deutscher Sprache.

Der verlinkte Film (Stand 2015) gibt einen ganz guten Überblick über Motivation und Aufbau es Europarates. https://www.youtube.com/watch?v=c3nDhvLGHVA

Inzwischen hat Generalsekretärin  Marija Pejčinović Burić den Vorsitz inne.
Eine weitere wichtige Errungenschaft des Europarats ist die Europäische Sozialcharta. Weitere Informationen hierzu unter  https://www.sozialcharta.eu/ Die Gruppe hatte in einem Videovorführraum die Gelegenheit, einen ähnlichen Film zu sehen. Hier sah man am deutlichsten, dass das Gebäude aus einer anderen Zeit stammt. An den orangefarbenen Sitzen waren noch Aschenbecher eingebaut.

Nach der thematischen Einführung durch die Gästebetreuerinnen durften die Teilnehmenden an einer Sitzung der Parlamentarischen Versammlung auf der Besuchertribüne teilnehmen. Thema an diesem Morgen waren die Umweltzerstörungen durch bewaffnete Konflikte und deren Ächtung als Kriegsverbrechen. Nach den dreiminütigen Reden fanden elektronische Abstimmungen statt. Wer sich das Erlebte in Erinnerung rufen möchte, kann die Debatte hier noch einmal nachverfolgen https://vodmanager.coe.int/coe/webcast/coe/2023-01-25-1/lang (Abstimmungen ab Minute 90)

Nach diesem beeindruckenden Vormittag brachte der Bus die Gruppe ins Stadtzentrum. Nach dem Mittagessen bei „Le Gruber“ begeisterte Stadtführer Klaus Gras aus Kehl mit seiner kunst- und kulturgeschichtlichen Expertise die Gruppe. Er verstand es, sein Wissen in unterhaltsamen Anekdoten zu präsentieren. Schwerpunkt der Exkursion vom Gasthaus aus war oben die Kathedrale, die mächtig das Stadtbild dominiert. Sie ist Maria als Gottesmutter gewidmet. Das Münster wurde vom 12. bis zum 15. Jahrhundert gebaut. Auch im Anschluss wirkte eine wechselvolle Geschichte auf das ungewöhnliche asymmetrische Erscheinungsbild, weil man nach Jahrhunderten im Streit schließlich auf den Bau des Südturms ganz verzichtete. Überwältigend: die bunten Fenster mit den Königen auf der einen Seite, den biblischen Geschichten auf der anderen, die Steinmetzarbeit des Garten Gethsemane, die Silbermann-Orgel und die großartige Astronomische Uhr! Die Uhr zeigt die Erdbahn, die Mondbahn und die Bahnen der Planeten an und hat auch Platz für einige römische Götter. Während der eine oder die andere sicher auf die Erklärung der berühmten Rose im Mittelschiff wartete, überraschte Klaus Gras die Europa-Fans jedoch mit dem Marienfenster in der Chorapsis. Über dem Kopf der Mariendarstellung werden 12 Sterne dargestellt. Die biblische Zahl 12 findet hier ihren Niederschlag. Die literarische Quelle stammt aus der Offenbarung 12,1, Dieser mittelalterliche Sternenkranz findet sich noch auf einer anderen Mariendarstellung und eben auch in der Flagge.

So sehr die interessanten Eindrücke auch von den Temperaturen ablenkten, freute sich die Gruppe auf den wärmenden Bus, der sie wohlbehalten und pünktlich nach Karlsruhe zurückbrachte.

Désirée Fuchs

Dieser Artikel erschien am 26.01.2023 unter eu-ka.eu

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