Wenn ich bisher an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dachte, kam mir ein spektakulärer Auftritt von Amal Clooney in den Kopf, als sie vor einigen Jahren dafür kämpfte, dass die massenhafte Tötung von Armeniern 1915 als Völkermord bezeichnet werden darf. Das zweite, was ich wusste, war, dass Magnus Gäfgen nach dem Mord des kleinen Jakob von Metzler vor dem EGMR Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland eingelegt hatte, weil der Polizeibeamte ihm, um das Kind zu retten, Folter angedroht hatte, und obsiegte. Ansonsten konnte ich die Institution eher unklar zuordnen. Jetzt durfte ich sie mit der Europa-Union Karlsruhe besuchen.

Einprägend.

Der imposante Bau liegt im Europaviertel, hinter dem Europarat in Sichtweite zum Europaparlament. Bei dem traumhaften Wetter ergaben die Gebäude eine imposante Kulisse.

Der EGMR, errichtet 1959 in Straßburg, überwacht die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention, welche 1950 unterzeichnet wurde. Urteile sind bindend und haben zu Gesetzesänderungen geführt. Seit 1998 tagt er ständig.  Bürger können sich nach erschöpften innerstaatlichen Rechtsmitteln direkt an ihn wenden. Seine Rechtsprechung stärkt Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa. In dem Gebäude, entworfen von Lord Richard Rogers 1994, werden die Menschenrechte von 800 Millionen Menschen in 46 Mitgliedstaaten des Europarats. Für das aus dem Europarat ausgeschlossene Russland werden die begonnenen Verfahren noch abgeschlossen. Das Land mit den meisten Beschwerden ist die Türkei.

Der kleine Sitzungssaal beeindruckte mit einem fantastischen Blick auf das Europaparlament, der große Sitzungssaal wirkt kühl und erhaben. Das ganze Gebäude ist lichtdurchflutet, was sich nach Auskunft unseres Gastgebers im Sommer manchmal schwierig gestaltet.

Durch den Besuch wurde mir auch erst genauer bewusst, dass die Grundrechte aus dem Grundgesetz und die Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht deckungsgleich sind bzw. von einer anderen Herangehensweise zeugen. So gibt es im Grundgesetz die Würde des Menschen, die in der Konvention nicht vorkommt, umgekehrt das Recht auf Leben.

Seither geht mir ein Schäuble-Zitat nicht mehr aus dem Kopf: „Aber wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“

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